PGS Hanau - Schulzeitung

diesen Satz so höchstwahrscheinlich nie gesagt hat. In Wirklichkeit lautet das Zitat im Original folgendermaßen: Verbodicam: Si nos servaremus in necessariis Unitatem, in non necessariis Libertatem, in utrisque Charitatem, optimo certe loco essent res nostrae. Ich will es mit einem Wort sagen: Wenn wir wahren würden im Notwendigen Einheit, im Nichtnotwendigen Freiheit, in beidem Liebe – gewiss würde unsere Sache bestens stehen! Nicht im 4. Jahrhundert nach Christus sondern im 17. Jahrhundert hat der Verfasser dieser Zeilen gelebt: Ein Protestant aus dem schwäbischen Maulbronn namens Rupertus Meldenius (eigentlich Peter Meiderlin, 1582-1651) war Zeitzeuge einer interessanten Epoche: Die Kirche erlebte im 30-jährigen Krieg eine ihrer größten Zerreißproben. Zwei verfeindete Lager standen sich erbittert gegenüber und kämpften manchmal wirklich bis zum letzten Mann. Der Krieg ließ viele Landstriche in Deutschland veröden, Menschen starben den Hungertod, Flüchtlinge machten das Chaos perfekt. Dieser Satz wird jetzt in einem völlig neuen Kontext deutlich: Er soll dem notwendigen Frieden dienen. Rupertus Meldenius ruft den jeweiligen Kriegsparteien zu: „Ihr Katholiken und Protestanten, die ihr euch gerade die Köpfe einschlagt, lasst uns wieder nach Gemeinsamkeiten suchen. Und: Seht im Nächsten nicht den Feind, sondern den Glaubensbruder, damit dieses schreckliche Morden ein Ende hat.“ Solch ein Satz mit solch einem grausamen historischen Kontext, dazu noch ein unbekannter Verfasser: Dieser Satz kann keine Zukunft haben. Deshalb musste er in einen anderen zeitlichen Zusammenhang, in die Gründungsphase der Kirche, katapultiert werden. Im 4. Jahrhundert herrschte Aufbruchsstimmung. Die Kirche war am Anfang einer großen Erfolgsstory. Erst in diesem „manipulierten“ Kontext können die Begriffe Einheit-Freiheit-Liebe die Schlagkraft entwickeln, die uns inspirieren und uns Wegweisung im Alltag geben können. Keine Sorge! Unser Motto „Lernen – Leben – Lachen“ hat kein solch historisches Vermächtnis. Aber um die Worte von Rupertus Meldenius ergänzt, lässt es sich folgendermaßen lesen: Wenn wir gemeinsam lernen, gemeinsam leben und 062 Welche Gedanken gehen uns durch Kopf, wenn wir unser Schulmotto lesen? Lernen, Leben, Lachen,… klingt das noch ermutigend? Gibt es noch Raum zum Nachdenken? Oder lässt es uns mittlerweile kalt und ärgern wir uns an dem einen oder anderen Wort? Klingt es gar zynisch in manchen Ohren? Ist es nur ein „Markenveredler“ und ist es deshalb nur ein Werbeslogan, der für neuankommende Schüler, Eltern oder Lehrer interessant ist? Dies wird ein Plädoyer für unser Schulmotto. Ob bewusst oder unbewusst haben die Gründer unserer Schule ein, wie ich finde, höchst weises Motto gewählt. Abgesehen von der Alliteration und dem harmonischen Sprachklang, die einen Deutschlehrer (er)freuen, wurden Begriffe mit dem Schulalltag verknüpft, die auf den ersten Blick so gar nicht in diesen Kontext passen wollen. Ich meine damit die Begriffe „Leben“ und „Lachen“. Um die Besonderheit dieser beiden Begriffe würdigen zu können, möchte ich an dieser Stelle etwas ausholen und die Geschichte eines anderen, viel berühmteren lateinischen Schulmottos erzählen, mit dem sich noch so manches alte ehrwürdige Gymnasium schmückt. IN NECESSARIIS UNITAS, IN DUBIIS LIBERTAS, IN OMNIBUS CARITAS (Augustinus) Ins Deutsche übersetzt, kann der Satz folgendes bedeuten: In notwendigen Dingen Einheit, In zweifelhaften Dingen Freiheit, In allen Dingen Liebe (Augustinus) Ich denke jeder der diese Zeilen liest, erkennt sofort die Besonderheit dieses Mottos. Auch hier haben wir drei Ideen, drei Schlagworte: Einheit – Freiheit – Liebe. Der Aufbau der kurzen Sätze ist gleich und alles zielt hin auf das eine, wunderbare Wort „caritas“, das sich mit „Liebe“ oder auch „Nächstenliebe“ übersetzen lässt. Dann wird abschließend die Quelle, der Verfasser benannt. Dies gibt dem ganzen einen seriösen Anstrich. Denn dieser Satz wurde nicht von irgendjemandem gesagt, sondern von dem berühmten Augustinus verkündet, dem Kirchenvater schlechthin aus dem 4. Jahrhundert. Ein perfekteres Motto lässt sich kaum finden. Das Problem bei der ganzen Sache ist nur, dass Augustinus Vorwort Liebe Eltern, Schüler und Freunde der Schule,

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